GANZ SCHÖN CLEVER : Mehr als nur bunte Würfelchen werfen…

Mit GANZ SCHÖN CLEVER habe ich eine lange Reise hinter mir: im wörtlichen Sinne, weil ich es in meiner Japanreise im Gepäck hatte und rauf und runter gespielt habe. Auf der anderen Seite war die Entwicklung, die ich beim Spielen hatte, eine Reise: von einem ratlosen Schulterzucken hin zu meinem persönlichen Spielehit.

Dabei werden doch eigentlich nur ein paar bunte Würfel geworfen und dann Eintragungen auf einem Wertungsblatt vorgenommen, oder? Nein, es passiert viel mehr. Ich würfle dreimal und suche mir jeweils einen passenden Würfel aus. Tendenziell sind hohe Würfelaugen besser, doch muss ich alle niedrigen Würfelwerte meinen Mitspielern auf dem Silbertablett präsentieren, d.h. sie dürfen sich davon später einen wählen. Habe ich eine 1,3,5,5,6,6 gewürfelt und möchte ich unbedingt die 5, dann wandern die 1 und 3 in die Auslage und ich haben beim zweiten Wurf nur noch drei Würfel zur Verfügung.
Jede Würfelfarbe (außer der Jokerfarbe weiß) ist einem Bereich zugeordnet, in der ich eine Eintragung vornehme. Das kann eine aufsteigende Zahlenreihe sein, zwei Würfel werden addiert oder ich trage einfach nur den Augenwert ein. Erreiche ich ein Bonusfeld, sind Wiederwürfe drinnen, ich darf noch einen weiteren Würfel der Auslage verwenden oder bekomme mein schwächstes Ergebnis eines Bereichs nochmal gewertet.

Mein erster Eindruck war noch verhalten. An NOCH MAL! wird es nicht herankommen, dachte ich. Es wirkte zu harmlos und ich spielte vor mich hin. Mein Punkteergebnis war dementsprechend. Ich schätze es als sehr glückslastig ein, doch mit der Zeit erkannte ich, dass zehn verlorene Partien in Folge vielleicht auch auf meine Spielweise zurückzuführen sein könnten. Ich fragte meinen Kontrahenten nach Tipps: „Halt dir in gelb immer etwas frei!“ oder „Setze die Kreuze strategisch!“.
Mein Ehrgeiz war geweckt und ich spielte mehrere Strategien durch. Ich lernte, diese an die Würfelergebnisse anzupassen. In der nächsten Stufe hatte ich zusätzlich den Block meines Mitspielers im Blick. Aus seiner Wahl kann ich schließen, welche Würfelfarben er mir wohl häufiger übrig lassen wird. Momentan befinde ich mich in der Phase, in der ich weniger variiere, aber meinen Score verbessern will.

GANZ SCHÖN CLEVER lebt von seinen Kettenzügen, in denen eine Eintragung die nächste freischaltet und diese eventuell die nächste.
„Ich setze da ein X, dadurch darf ich da eine 6 eintragen und dadurch einen weiteren Würfel wählen!“.
Dadurch ist auch der Verlauf einer Partie immer spannend, da am Ende noch viel möglich ist und eine gewonnen geglaubte Runde plötzlich wieder offen ist.
Es ist hervorragend geeignet für Solisten oder Pärchen, die ihre Highscores jagen wollen. Zu viert ist mir die Downtime zu hoch und der Überblick über die Mitspielenden geht mir verloren. Es richtet sich an geübter Würfler, denn es ist komplexer als es aussieht und gerne setzt man mal ein Kreuz zu viel oder spielt sogar eine Runde mehr als vorgesehen (siehe diverse Twitterbilder).

Ich fasse zusammen:
Spannende Entscheidungen, welchen Würfel ich wähle, und welche Würfel ich damit meinen Mitspielenden zur Verfügung stelle.
Eine steile Lernkurve, die stetig motiviert. Explosionsartige Kettenzüge, die mich zum Jubeln bringen.
Und ein kleiner Augenfänger ist es auch.
Als ich in einem japanischen Garten rastete und die Würfel auspackte, blieben mehrere Spaziergänger stehen. Sie schauten uns über die Schulter, wie wir die bunten Würfel warfen, uns freuten oder fluchten und uns den Kopf zerbrachen. Sie verließen die Szenerie wortlos und wahrscheinlich auch ohne Verständnis der Regeln, aber mit einem Lächeln! Ich glaube, sie haben unsere Emotionen spüren können.