Alle 11 Minuten verliebt sich eine Hochzeitsplanerin in einen Schauspieler…
Besagte Hochzeitsplanerin Cindy trägt gerne alte Klamotten und steht total auf Brad mit der Nickelbrille und dem Nasenpiercing, der in einer Vorabendserie eine Hauptrolle innehat. Zunächst konnten sie sich nicht einigen, ob sie lieber klassisch Essen gehen oder auf der Haupteinkaufsstraße einen gemeinsamen Spaziergang machen wollen, aber sie entschlossen sich, einfach beides zu tun. Nach ihrem ersten Date funkte es bereits heftig und jeder ging mit unterschiedlichen Vorstellungen und Wünschen in die Beziehung. Nur was macht meinen Partner und mich gleichermaßen glücklich?
Cindy ist von Haus aus ein wenig eifersüchtig und möchte einen einfühlsamen Partner. Außerdem ist sie ein freundlicher, emotionaler Mensch und sucht ebenso jemanden, dem Sanftmut wichtig ist. Dabei ist sie auch noch sehr leidenschaftlich und möchte ihre Extrovertiertheit ausleben können.
Mit Brad verband sie die Suche nach Spaß. Sie konnten sich auf dieser Ebene gut verstehen. Doch Brad war alles andere als sanft und verhielt sich in vielen Situationen ziemlich rüpelhaft. Seine Wünsche stelle er über Cindys Liebesglück – er wollte der dominante Part sein, während Cindy sich eine Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe wünschte, was aufgrund ihrer Körpergröße sowieso schon schwierig erschien. Sie wurde immer unglücklicher, weil es nur funktionierte, indem sie sich unterordnete. Von ihm los, kam sie leider nicht mehr.
Dies war die verkürzte Geschichte meiner ersten Partie FOG OF LOVE. Wir spinnen uns wie bei einem Rollenspiel Geschichten zusammen und entwickeln Charaktere, die miteinander interagieren. Der Einstieg ist so gut wie selten bei einem Spiel. Wir wurden an die Hand genommen und mit Einsatz von Karten geschickt durch den Ablauf geführt. Ich durfte mir einen Beruf aussuchen, meinem Gegenüber drei anziehende Eigenheiten zuweisen und ich wählte meine drei geheimen Ziele in der Beziehung. Abwechselnd spielen wir Story-Karten aus, und versuchen damit auf den unterschiedlichen Skalen zu punkten und unser eigenes Liebesbarometer nach oben zu bringen. Wenn mein Partner mir zum Beispiel Blumen schenkt, dann steigt unser jeweiliges Liebesbarometer, wenn der Beschenkte und der Schenkende die gleiche Blumensorte gewählt haben. Oder wir müssen uns auf eine Abendplanung einigen: möchten wir lieber auf die Party des Nachbarn, dann steigt unser Spaßlevel oder verbringen wir beide lieber einen kuschligen Fernsehabend miteinander, was unsere Empfindungen verstärkt. Später kommen dramatische und ernste Thematiken ins Spiel wie unterschiedliche Moralvorstellungen oder der Wunsch nach eigenen Kindern. In wie weit eine konsistente Geschichte dabei entsteht, hängt von den Spielenden ab. Während ich in der ersten Partie einzig darauf achtete, Entscheidungen im Sinne meiner imaginären Cindy zu treffen, lernte ich, dass ich auch auf die Wünsche meines Partners achten muss. Wählt er vermehrt die Alternative, die sein Spaßlevel nach oben bringt, dann wäre es ratsam, solche Karten aus meiner Hand auszuspielen. Problematisch wird es, wenn dies meinem Beziehungsziel widerspricht und ich eine Spaßbremse bin. Hier werde ich tatsächlich an das wahre Leben erinnert. Ich kenne die Ziele meines Partners nicht, versuche es aber ihm und mir Recht zu machen. Manchmal muss man aber auch eingestehen, dass man verschiedene Vorstellungen hat. Zum Glück gibt es unterschiedliche Beziehungsmodelle, und am Ende wählen ich die mir passende. Ich rede übrigens vom Spiel, denn ich darf man am Ende aussuchen, ob wir zum Beispiel gleichwertige, rationale Lebenspartner werden oder ein hingebungsvolles Liebespaar werden.
Tatsächlich gelingt es FOG OF LOVE mein Interesse zu wecken. Die Gestaltung und die Materialien sind sehr hochwertig. Alleine die Qualität der Karten würde ich mir für viele Spiele wünschen. Wir schaffen gemeinsam eine Geschichte und lernen aus Entscheidungen. Es ist zweifelsohne ein besonderes Spiel. Es geht über Liebe, aber es fällt mir schwer, es vollends zu lieben. Dafür ist es doch zu abstrakt. Die gestellten Situationen sind zu losgelöst und wiederholen sich nach mehreren Partien recht schnell. Während ich letzte Runde noch eine Entscheidung über das passende Frühstück treffe, geht es dann plötzlich darum, dass ich ein leibliches Kind verschwiegen habe. Ich fühle mich an die Persönlichkeitstest in alten Zeitschriften erinnert. Mir machte es Spaß, diese auszufüllen, aber sie fesseln mich nicht längerfristig. Trotzdem wird FOG OF LOVE bei mir sicherlich nicht im Nebel verschwinden. Es sticht aus dem Einheitsbrei der Brettspiele heraus. Und das ist gut!