Ein schweres Päckchen steht vor meiner Haustür. Voller Freude öffne ich es und halte das neue Legacy-Spiel in den Händen: THE RISE OF QUEENSDALE.
Als ich den Spielekarton lüfte, kommt eine bis zum Rand gefüllte Box zum Vorschein. Figuren, Karten, Stickerbögen, Ausstanztableaus, Spielertafeln und vier Spielbretter zum zusammenbauen kann ich erkennen. Direkt bin ich verwundert: das Material in der Box liegt relativ offen aus und selbst wenn man nicht hinschauen will, lassen sich die einzelnen Elemente manchmal schon erahnen, was da kommen mag. Schade, denn Überraschungen sollen doch den Kern einer Legacy-Erfahrungen ausmachen.
Sogleich beginne ich mit dem Lesen der Anleitung, in der noch zahlreiche Lücken für die Regelsticker zu finden sind. In THE RISE OF QUEENSDALE geht es recht klassisch zu. Der Kern ist ein Würfeleinsetzmeachnismus, bei dem wir unsere Würfel auf entsprechende Felder legen, um damit Aktionen auszulösen oder Rohstoffe zu erhalten. Ich kann mich als Kräutersammler versuchen, d.h. meine Spielfigur entdeckt auf dem Spielbrett Kräutermarker oder ich werde Bauarbeiter und lasse Gebäude in meinem Viertel errichten, die vielfältige Vorteile bringen. Ich kann auch Arbeiter anheuern – dabei ziehe ich aus einem Beutel eine farbige Spielfigur, die mich ebenso meinem Ziel voranbringen. Dieses besteht daraus, meinen Stein auf der Punkteleiste bis zu einem bestimmten Wert zu schieben.
In gleicher Besetzung wie bei CHARTERSTONE stürzen wir uns ins QUEENSDALE-Abenteuer. Nach jeder Partie müssen mir meine beiden Mitspieler (Toni und Darko) Rede und Antwort stehen und investigativ wie ich bin, schreib ich brav mit.
Ihre ersten Reaktionen nachdem dem Aufbau sind gedämpft. „Mussten die irgendwie sparen?“ fragt mich Toni. Darko meint: „Ich dachte, wir spielen wieder eines dieser hochwertigen, spektakulären Spiele.“ „Ruhig Blut, Freunde“ erwidere ich. „Don´t judge a book by its cover. Die Autoren sind Meister ihres Faches. Uns steht eine tolle Reise bevor.“
Die erste Runde geht flott von der Hand und weckt unser Interesse. Die Partien 2 und 3 werden direkt angehängt. Während Toni bei CHARTERSTONE noch jede neue Karte genau anschaute und die verspielten Gebäude betrachtete, ist die Optik hier eher zweckmäßig. Darko hat sich zum Kräutersammler gemausert, spürt aber schon eine gewisse Routine. Er lechzt nach mehr Aufregung. Und ich rege mich einfach nur darüber auf, dass ich nach fünfmaligen Nachwürfeln kein Erz gewürfelt habe.
Nach den Partien 4 bis 6 beschwert Toni sich, dass er das Gefühl hatte, irgendwann nicht mehr an Punkte zu kommen. Darko ist neugierig auf die kommenden Elemente und ich bin etwas ernüchtert. Es gibt Partien, in denen der Gewinner bereits vorher feststeht. Genervt bin ich vom administrativen Teil. Der Aufbau gestaltet sich ebenso episch wie das Spiel selbst. Das Regelstickerkleben ist langatmig, die Zeit bis zum Spielstart ist lang und der ganze Tisch ist voll. Als wir ein Feld auf dem Brett überkleben sollen und dafür einfach ein weißes Quadrat verwenden müssen, ergibt sich ein für das Auge unschöner Fleck auf dem Spielfeld.
Im Mittelteil entfaltet QUEENSDALE dann seinen besten Spielfluss. Obwohl es ein paar kleine Regelunsicherheiten gibt, haben wir eine spannende Phase und befinden uns gleichauf. Darko mag, dass er seine Strategie anpassen kann. Toni ist froh, dass eine Möglichkeit hinzukam, alternativ an Siegpunkte zu kommen. Und ich erfreue mich an den vielen Optionen, die sich mir bieten.
Nach den Partien 12 bis 14 findet Toni das Spielgefühl gut, wobei ihm die einzelnen Partien zu schnell gehen. Darko kritisiert, dass die Legacy-Elemente nicht so richtig zünden. Ich lobe die Möglichkeit, die Würfel nach und nach auszubauen. Allerdings gibt es bereits die ein oder andere Mechanik, die ich in unserem Kontext unausgewogen stark für einen Spieler empfinde.
In unseren Partien 15 bis 17 merken wir dem Spiel langsam an, dass es dem Ende zugeht. Die Ideen wirken nicht mehr so frisch und es zieht sich. Darko hat das Gefühl, dass er etwas verpasst hat, weil so viele Elemente im Spiel nicht freigeschaltet wurden. Toni findet die Story um QUEENSDALE recht dünn, lobt aber allgemein Legacy-Spiele und die daraus resultierende Spielerfahrung. Er vergleicht es mit dem Ritual, gemeinsam Tatort zu schauen. Man trifft sich wöchentlich, und freut sich den Tag über schon auf den Abend.
Die letzten Partien bis Nr. 20 verlaufen relativ uninteressant und vorhersehend. Toni, der bisher immer das Schlußlicht war, hat so von den Aufholmeachnismen profitieren können, dass es offensichtlich wird, dass er das Rennen machen wird. Darko kämpft wacker.
Ich bin genervt, vier Partien in Folge zu verlieren, obwohl ich nur noch eine hätte gewinnen müssen. Ich fühle mich hilflos ausgeliefert. In der finale Partie würfelt jeder von uns nur dreimal.
Am nächsten Morgen schickt Toni mir eine Nachricht:
Wie kann ich unsere Spielerfahrung zusammenfassen?
QUEENSDALE ist ein Legacy-Spiel, das viele Dinge richtig macht und uns viel Freude bereitete. Es ist ein beeindruckendes Gesamtwerk, das mit spielerischen Ideen vollgestopft ist. Besonders gefallen haben mir die Würfelevolution und die Wahrsagerkarten, die einzelnen Spielern bevorstehende Ereignisse ankündigen. Es ist augenscheinlich, dass mit dem Ehepaar Brand ein erfahrenes Autorenwerk am Drücker war. Trotzdem kann mich das Spiel nicht komplett überzeugen. Es wirkt an vielen Stellen überfrachtet, die einzelnen Elemente fühlen sich eher an, als würden verschiedene Erweiterungen hinzukommen, die gefühlte Freiheit eines PANDEMIC LEGACY S2 habe ich kaum erkannt. Die Story war recht oberflächlich und unser Erlebnis war mit sehr viel Aufwand verbunden. Es fehlt die Leichtigkeit, die Eleganz. Ich merke dem Spiel an, dass an vielen Enden geschraubt wurde, um es rund zu machen. Insgesamt war es eine tolle Spielerfahrung, die ich sicherlich nicht missen möchte, allerdings muss ich feststellen, dass ich auf ein geniales kompetetives Legacyspiel noch warten muss – vielleicht wäre es ein QUEENSSTONE oder ein CHARTERDALE?