An meiner Schule hat es sich inzwischen rumgesprochen, dass ich eine gewisse Obsession für Brettspiele habe. Vermutlich ist wohl die Aussage hängengeblieben, dass ich mehr als 300 Brettspielpartien pro Jahr bestreite. Dafür ernte ich überraschte, interessierte Blicke, aber auch genauso oft unmissverständliches Stirnrunzeln.
Nachdem meine Kolleginnen und Kollegen mitbekommen haben, dass ich in meinen Vertretungsstunden mit der Klasse spiele, kamen sie mit dem Wunsch auf mich zu, diese Spiele doch mal dem Kollegium zu erklären. „Nichts lieber als das“, dachte ich mir und dufte eine Fortbildung zum Thema „Brettspiele in Vertretungsstunden“ organisieren.
In dem zweistündigen Workshop stellte ich die Spiele nicht nur vor, sondern ließ sie alle auch direkt anspielen. Ich wollte dabei Spiele zeigen, die auch gewisse Kompetenzen bedienen. Sei es strategisches Vorgehen, die Schulung von Konzentration und Aufmerksamkeit oder außermathematische Fähigkeiten wie die Beherrschung des eigenen Wortschatzes.
Außerdem sollten die Spiele gewissen Kriterien genügen:
1) Sie sollten einfache Regeln haben, damit die Erklärung nicht länger als fünf Minuten dauert.
2) Die Zeit für eine Partie darf den Rahmen einer Unterrichtsstunde von 45 Minuten nicht sprengen. Idealerweise können mehrere Runde gespielt werden.
3) Die Spiele sollten eine gewisse Motivation bieten. Zum Beispiel hatte ich den Highscore einer Parallelklasse dabei oder ich erklärte, dass eine gewisse Punktzahl ein gutes Ergebnis bedeutet.
4) Die Spiele sollten auch für eine Vertretungsstunde einen gewissen Mehrwert bieten. Eine reine Beschäftigung der Klasse war nicht das Ziel.
5) Der Aufwand in der Vorbereitung sollte überschaubar sein. Mehr als ein Kopieren von Zetteln sollte von den Kolleginnen und Kollegen nicht erwartet werden.
Folgende Spiele wählte ich aus:
Folgende Informationen habe ich den Kolleginnen und Kollegen mitgegeben:
Second Chance (auch: Patchwork Doodle) (ab 5. Jgst)
Material: Alle SchülerInnen benötigen einen (kopierten) Spielzettel (9×9-Raster).
Spielziel: Möglichst alle Felder mit den vorgegebenen Teilen ausfüllen.
Vorgehen: Das erste Teil muss auf dem Mittelkreis gesetzt werden, ab dann freie Platzierung.
Das vorgegebene Teil darf gedreht und gespiegelt werden.
Tipps: SchülerInnen zwischendurch aufstehen lassen und damit dokumentieren, wer noch im Spiel ist. Ab und zu noch offene Felder zählen lassen, um Fehler zu minimieren.
Meisterwerke (früher: Identik) (ab 5. Jgst)
Material: Alle SchülerInnen benötigen ein (eigenes) Blatt und einen Stift.
Spielziel: Das Bild so genau zeichnen, dass möglichst viele der zehn Kriterien richtig gezeichnet sind.
Vorgehen: Eine Person erklärt in zwei Minuten möglichst genau ein Bild. Die zehn Kriterien sind nicht zu sehen. Danach wechseln, dass eine andere Person bewertet. Die zehn Kriterien werden nacheinander vorgelesen.
Tipp: Im Fremdsprachenunterricht in der jeweiligen Sprache erklären lassen. Hat jemand alle 10 Kriterien erfüllt, die Klasse als Belohnung mit Datum auf der Karte verewigen.
Das perfekte Wort (ab 7. Jgst)
Material: Alle SchülerInnen benötigen einen (kopierten) Spielzettel.
Spielziel: Neun Wörter zu vorgegeben Bedingungen finden, sodass man viele Punkte bekommt.
Vorgehen: Alles erklären, wofür es am Spielende Punkte gibt: Wortlänge, getroffene Buchstaben, Vokalpunkte, Bonus.
Vokalkarte ziehen und eintragen.
Dann neunmal: Es wird immer ein Anfangsbuchstabe und eine Wortlänge gezogen. Dann Sanduhr umdrehen. Es gibt 5 Punkte, dass man ein Wort findet. 5 Punkte, wenn die Länge stimmt. 5 Punkte für jeden aufgedruckten Buchstaben, der getroffen wird.
Tipp: Wörter ab und zu abfragen, um besonders gelungene Wortkreationen zu würdigen.
Noch Mal! (ab 7. Jgst)
Material: Alle SchülerInnen benötigen einen Spielzettel. Vorsicht: Farben sind wichtig, Schwarz-Weiß Kopie nicht möglich.
Spielziel: Kreuze so geschickt setzen, dass Sterne überdeckt, Spalten vollständig ausgefüllt und alle Felder einer Farbe angekreuzt werden.
Vorgehen: Erstmal erklären, wie Kreuze gesetzt werden Entweder bei Spalte H (geht immer) oder angrenzend zu bestehenden Kreuzen. Man kann nicht weniger Kreuze setzen oder Kreuze aufsplitten.
Joker erklären: Zahljoker (entspricht 1 bis 5) oder Farbjoker. Müssen unten angekreuzt werden. Nur 8 Stück insgesamt.
Jetzt Punkte erklären: Spaltenpunkte, Farbpunkte, Punkte für übrige Joker, Minuspunkte für fehlende Sterne.
Dann beginnen: zwei weiße Würfel und zwei schwarze Würfel werfen.
Tipp: Mit der App die Spielregeln erklären.
Pi mal Daumen (ab 5. Jsgt)
Material: Jede Gruppe braucht Zettel und Stift.
Spielziel: Die genannte Zahl der Gruppe soll möglichst nah an der Lösungszahl sein.
Vorgehen: in Gruppen aufteilen und jeweils einen Captain benennen (z. B. Gruppe Johanna).
Für die Jahrgangsstufe passende Schätzfrage heraussuchen.
Erst 3-Punkte, dann 4-Punkte, dann 5-Punkte vergeben, damit hintere Teams noch aufholen können. Trifft man die Zahl genau, doppelte Punkte.
Tipp: Jede Frage mit einer Zahl als Antwort wäre denkbar. Solche Fragen finden sich auch im Internet, wenn es schnell gehen muss.
Kaleidos (ab 4. Jgst)
Material: Jede Gruppe braucht Zettel, Stift und das gleiche Wimmelbild.
Spielziel: Möglichst viele Gegenstände im Bild finden, die mit einem vorgegeben Buchstaben beginnen.
Vorgehen: in Gruppen aufteilen und jeweils einen Captain benennen (z. B. Gruppe Johanna).
Buchstabe ziehen und dann gruppenweise vorlesen lassen.
1 Punkt für einen Begriff, den andere Gruppen auch gefunden haben.
3 Punkte für Begriffe, den sonst keine Gruppe hat.
Tipp: Kann auch im Fremdsprachenunterricht eingesetzt werden.
Knister (früher: Würfelbingo) (ab 5. Jgst)
Material: Jede Gruppe braucht einen kopierten Zettel (5×5-Raster).
Spielziel: Alle 25 Felder mit den Augensummen füllen, um in den Spalten, Zeilen und Diagonalen punkteträchtige Kombinationen zu erhalten.
Vorgehen: Erklären, dass man 25 mal die beiden Würfel wirft und die Augensumme bildet.
Thematisieren, dass die Ergebnisse 2 bis 12 sein können, aber 7 am häufigsten.
Zwilling = 1 Punkt, Drilling = 3 Punkte, Vierling = 6 Punkte, Fünfling = 10 Punkte
Doppelzwilling = 3 Punkte, Zwilling + Drilling = 8 Punkte, Straße ohne 7 = 8 Punkte, Straße mit 7 = 12 Punkte.
Die beiden Diagonalen zählen doppelt!
Straßen müssen nicht die richtige Reihenfolge haben (3,5,7,6,4 wäre eine korrekte Straße).
Tipp: Statt 2er, 3er, 4er usw. die Begriffe Zwilling, Drilling, Vierling usw. verwenden.
Evaluation der Fortbildung:
Die Lehrkräfte hatten ausschließlich positive Rückmeldungen. Sie gaben an, dass sie sich gar nicht bewusst waren, welche Möglichkeiten Spiele so bieten. Meine Vermutung, dass Lehrende gerne bereit sind, Spiele im Unterricht einzusetzen, ihnen nur schlichtweg das Wissen für geeignete Spiele fehlt, wurde bestätigt. Sie haben sich außerdem eine Folgefortbildung gewünscht, um noch mehr Spiele kennenzulernen, was mich sehr gefreut hat.