Lange war es ruhig hier im Blog. Das echte Leben hatte mich fest im Griff. Doch jetzt wird es Zeit, wieder in fiktive Welten einzutauchen. Der Tradition folgend – nach zweimal ist es schließlich Tradition – ging es für unsere eingeschworene Gruppe EXITROOMMATES in die griechische Hauptstadt.
Immer wieder sorgt die Mitteilung, dass man extra für Exiträume nach Athen fliegt, für Verwunderung. Der Grund: Hier konzentrieren sich besonders viele hochqualitative Räume. Man spürt die Leidenschaft und Liebe, die in Ideen und Ausstattung fließen. Fast alle Anbieter beschäftigen eigens Schauspielerinnen und Schauspieler, die mit überzeugendem Spiel Geschichten zum Leben erwecken.
Es geht längst nicht mehr nur darum, in unter 60 Minuten zu entkommen. Das Erlebnis steht im Vordergrund – und dafür braucht es Zeit. Die bekommt man hier.
Elf Räume standen auf dem Programm – durch frühes Aufstehen wurden es sogar zwölf.
Doppelt so viele wie beim letzten Mal. Und: Wir haben uns an die Horrorräume gewagt, die wir bisher eher gemieden haben.
Ich berichte chronologisch:
1) Anna’s Dream – A True Story, Séance (90 min)
Der Einstieg ist atmosphärisch dicht, dann folgt ein kleiner Bruch: Die Stimmung ändert sich. Wir werden zu einem Tisch geführt, wo uns der sehr sympathische Spielleiter erklärt, worum es bei der Séance geht. Er prägt das Erlebnis deutlich – fast mehr Zaubershow als Escaperoom. Man sitzt, staunt und lässt sich unterhalten. Die Geschichte über Annas Traum hätte stringenter erzählt werden können. Kann man machen, aber kein Muss.
Meine Bewertung: 7 von 10
2) Wanted Dead or Alive – No Exit (90 min)
Ein Schauspieler, viele Rollen. Meine Mundwinkel schnellen wie Colts nach oben, als wir den Wilden Westen erkunden. Die Rätsel gefallen. Allerdings merkt man dem Raum an einigen Stellen sein Alter an: lose Knöpfe, Apparaturen, die wohl mal anders funktioniert haben. Es wirkt ein wenig wie in einer langen Ehe – man mag den Raum, kümmert sich aber nicht mehr mit voller Hingabe. Für den Humor gibt’s einen Extrapunkt.
Meine Bewertung: 8,5 von 10
3) Death Row – No Exit (100 min)
Wieder ein Gefängnis, wieder ein Ausbruch. Am meisten gefallen mir die Rätsel – pfiffig, durchdacht und mit Elementen, die auf den ersten Blick nutzlos erscheinen. Die Geschichte ist etwas flach und diffus. Dafür punktet die Gestaltung mit gelungenen Übergängen und Überraschungen.
Meine Bewertung: 8 von 10
4) The Nun – Vansa (130 min)
Vorkenntnisse des Films sind nicht nötig. Inszenatorisch ist der Raum beeindruckend: Sound und Licht erzeugen Gänsehaut, die Schauspielerinnen und Schauspieler liefern ab. Inhaltlich werden weniger Wendungen erzählt als vielmehr typische Horrorszenen aneinandergereiht. Viele Jumpscares, hohe Lautstärke. Die Rätsel dienen eher als Bindeglied, sind aber logisch und nachvollziehbar. Insgesamt: höchste Qualität.
Meine Bewertung: 9 von 10
5) The Sculptor – Freaky Minds Horror (120 min)
Mit leichtem Unbehagen ging ich hinein – hier ist physischer Kontakt durch den Schauspieler Teil des Konzepts. Der Horror entsteht durch Verfolgung und bedrohliche Situationen. Die Story wirkt bemüht, hat mich aber nicht ganz gepackt. Dafür ist die Inszenierung top: Kulissen, Effekte, Atmosphäre. Rätsel sind eher Nebensache. Die Liebe zum Detail ist aber spürbar.
Meine Bewertung: 9 von 10
6) Anneliese – Panic Button Escape Room (100 min)
Begrüßt werden wir in einer rustikalen Taverne, bevor es in einen düsteren, aber thematisch passenden Raum geht. Auch hier gibt’s ein paar Jumpscares, die nicht ganz zum restlichen Konzept passen. Die Rätsel sind herausfordernd und klar die Stärke des Raums. Im Vergleich mit anderen griechischen Anbietern sticht er allerdings nicht besonders hervor – auch wenn vieles richtig gemacht wird.
Meine Bewertung: 7 von 10
7) Lilipout – Art of Escape (120 min)
Spontan gebucht, um etwas Abstand vom Horror zu gewinnen. Wir werden geschrumpft und in eine Schublade gesteckt – zumindest theoretisch. Trotz einiger witziger Requisiten gelingt es nicht, die Verkleinerung glaubhaft darzustellen. Für Kinder gibt es eine vereinfachte Version.
Meine Bewertung: 6 von 10
8) Jumanji – Brain On (100 min)
Im Dachboden entdecken wir ein Brettspiel, das ein Portal in den Dschungel öffnet. Dort begrüßt uns ein sehr aufgedrehter, aber unterhaltsamer Schauspieler, der uns durch die Rätsel führt. Für den Humor gibt’s einen Extrapunkt – er zielt eher auf Kinder und Familien, bei mir hat er trotzdem funktioniert.
Meine Bewertung: 8 von 10
9) Mystic Project – Mystic Cooperation (150 min)
Als Journalistenteam sollen wir den ersten Escaperoom der Welt untersuchen – eine spannende Ausgangsidee. Die Story wird allerdings zunehmend verworren. Erschreckmomente wirken auf mich wenig effektiv, eine Verfolgungsszene wird unfreiwillig komisch. Die Räume sind hochwertig gestaltet, die Rätsel gut. Trotz kleiner Schwächen: empfehlenswert.
Meine Bewertung: 8 von 10
10) Hide N Seek – Brainiac Escape Rooms (120 min)
Dank einer kurzfristigen Absage ergattern wir einen Platz in diesem sonst monatelang ausgebuchten Raum. Wir werden von Jason (bekannt aus Halloweenfilmen) gejagt und müssen uns jedes Mal verstecken, wenn Musik und Licht sich ändern. Adrenalin pur! Die Immersion ist perfekt – mein Highlight des gesamten Trips. Die Story ist genretypisch flach, was mich nicht stört. Nur bei den Rätseln wäre mehr Kreativität schön gewesen.
Meine Bewertung: 9,5 von 10
11) Obsessed – Dark Riddles (110 min)
Eine cineastisch beeindruckende Atmosphäre, von mehreren Schauspieler*innen getragen, erzählt eine bewegende Geschichte. Die Rätsel sind stimmig in die Handlung eingebettet, einige clevere Transportmechaniken bleiben in Erinnerung. Einen kleinen Abzug gibt’s für unnötige Jumpscares und die recht laute Tonkulisse.
Meine Bewertung: 9 von 10
12) Sociopath – Blind Alley (120 min)
Ein weiterer Raum, der stark auf Storytelling setzt. Teilweise fühlt es sich an, als sei man mitten in einem Theaterstück. Die Dialoge auf Griechisch werden über ein englisches Skript vermittelt – das wirkt zwar etwas experimentell, aber dadurch auch besonders. Der Twist funktioniert für mich nicht ganz, und ich hatte das Gefühl, hier wollte man etwas zu viel. Dennoch ein erinnerungswürdiges Erlebnis.
Meine Bewertung: 9 von 10
Fazit:
Athen führt die Revolution der Escaperäume zu kulturellen Erlebnisstätten an. Ich kann es kaum erwarten, im nächsten Jahr neue Ideen dieser kreativen Köpfe zu erleben. Ja, ich werde wiederkommen.