Die TV-Serie Matlock prägte meine Kindheit. In 195 Folgen boxte der findige Verteidiger seine Mandanten aus nahezu jeder noch so verfahrenen Situation. Ihr seid die Jury bietet nun einen Perspektivwechsel: Wir nehmen auf der Jurybank Platz und müssen über Schuld oder Unschuld eines Angeklagten entscheiden.
Ein durchnummeriertes Kartendeck führt uns durch die Geschichte, die wir nur ein einziges Mal erleben können – sie basiert auf einem wahren Fall. Vor einem Nachtclub wurde ein junger Mann erschossen. Der Angeklagte soll den Abzug betätigt haben. Unverzichtbar ist die begleitende KOSMOS-App, in der die Dialoge zwischen den Beteiligten vorgelesen werden. Die Anklägerin präsentiert Beweise und befragt Zeugen, der Verteidiger nimmt sie ins Kreuzverhör. Nach jeder Aussage kreuzen wir auf einem Zettel an, inwieweit wir den Angeklagten nach aktuellem Stand für schuldig halten. Weitere Notizen sind nicht erlaubt – eine gute Entscheidung, denn ich hätte sonst wieder alles mitgeschrieben.
Etwa 2,5 Stunden waren wir mit dem Fall beschäftigt. Das Kartendeck wirkt dabei eher wie Beiwerk – gesteuert wird alles über die App. Die Vertonung ist gelungen, die Ausgangslage durchaus spannend: Schuldig oder unschuldig? Das ist hier die Frage! Weil die Tat in den USA spielt, dient das amerikanische Justizsystem als Grundlage. Man sollte wissen, dass es in Deutschland keine Jury gibt.
Besonders gefallen hat mir die Idee, dass in jeder der drei Spielrunden – also den drei „Verhandlungstagen“ – ein Jurymitglied (repräsentiert durch eine Karte) befragt werden kann. Hier werden andere Sichtweisen deutlich. Handwerklich ist dem Spiel wenig vorzuwerfen. Doch es gibt ein großes Problem: Der Fall überzeugt nicht. Es gibt weder Wendungen noch moralisch schwierige Entscheidungen. In unserer Runde war das Urteil glasklar. Ich hätte mir mehr Ambivalenz gewünscht – oder einen Fall, der sich durch schlüssiges Kombinieren auflösen lässt und bei dem man sich am Ende ärgert, einen entscheidenden Hinweis übersehen zu haben. So aber hörten wir der Verhandlung zu und fragten uns: Was will dieses Spiel eigentlich erreichen?
Am Ende darf man sich das reale Urteil anhören. Eine Überraschung? Fehlanzeige.
Fazit: Ein Spiel mit Potenzial – das sich leider selbst unterläuft. Wenn man wirklich mitfiebern, rätseln, urteilen will, braucht es einen stärkeren Fall. So bleibt Ihr seid die Jury ein interessantes Konzept mit schwacher Umsetzung. Ich hoffe auf eine zweite Folge. Und bis dahin, schaue ich lieber Kathy Bates in der Neuauflage von Matlock über die Schulter.