„Hast du schon den zweiten Teil von dem Film gesehen?“ – „Ja, halt wieder genau das Gleiche. Denen fällt auch nichts neues mehr ein.“ Von Filmfreaks hört man diese Konversationen immer wieder. Zum ersten Mal müssen wir uns jetzt jedoch auch in Bereich der Brettspiele fragen, ob die zweite Staffel das hält, was sie verspricht.
Die Story: 71 Jahre nach dem ersten Teil von PANDEMIC LEGACY – SEASON 1 (PL1) sehen wir uns konfrontiert mit einer neuen Weltordnung. Wir leben in einer Zuflucht mitten im Meer und anders als im ersten Teil ist die Seuche nicht unser größtes Problem, sondern die Angriffe von Menschen auf die wenigen bekannten Städte. Wir unterstützen die Verteidiger und liefern Versorgungsgüter in Form von grauen Würfeln. Bei einem Angriff wird einer dieser Würfel herausgenommen und falls dort ein Versorgungsleck, sprich: keine Würfel mehr lagen, bricht die Seuche aus. Versorgungszentren retten uns über die schwierige Zeit hinweg, kosten aber 5 Karten der Stadtfarbe. Sind drei Versorgungszentren gebaut, ist eine der Aufgaben überstanden. Doch neue Herausforderungen kommen monatlich hinzu, nicht so viele jedoch, wie wir aus PL1 kennen.
Darüber hinaus möchten wir die Welt erkunden, denn im Laufe der Zeit ist uns die Geographie der Erde nicht mehr bekannt. Auch dazu müssen Karten einer Farbe gesammelt werden. Wir entdecken die Welt nach und nach und finden immer mehr hilfreiche Aktionen und neue Städte.
Das Konzept von PL1 wird also übertragen auf eine neue Spielwelt. Es fühlt sich bekannt an, wird aber von einer ganz anderen Seite angegangen.
Versorgungswürfel werden weggenommen, nicht Seuchenwürfel hinzugelegt.
Städte verlieren an Bevölkerung, ein Bedrohungslevel wird nicht erhöht.
Die grafische Untermalung ist hervorragend gelungen. Während PL1 passend zum Setting steril wirkte, sind die Karten hier verdreckt, die Charaktere sind von der Apokalypse deutlich gezeichnet. Zu den Charakteren selber habe ich weniger den Zugang gefunden – waren diese für mich eher leere Hüllen, während ich zu meinem Sanitäter in PL1 eine viel intensivere Beziehung aufbauen konnte.
Die Story wird durch das Finden und Vorlesen von diversen Aktennotizen erzählt, was bei mir nicht immer die gewünschte Immersion hervorrufen konnte. Dies geschah vielmehr im Spielerischen: es wurde aufgebaut und entdeckt, was sich für mich viel konstruktiver anfühlte als in PL1.
Die Freiheitsgrade bei der Erkundung haben allerdings auch einen Preis. Da das Spiel nicht weiß, wo man steht und welche Städte schon erkundet sind, ist für die Erstellung des Kartendecks ein höherer Verwaltungsaufwand notwendig, was möglicherweise manch einem sauer aufstoßen könnte.
Wir erlebten unsere Geschichte zu zweit und empfanden die uns gestellten Herausforderungen fast zu einfach, gerade wenn man sie mit PL1 vergleicht. Dies ist aber auch der Möglichkeit geschuldet, dass man viel mehr Manipulationsmöglichkeiten hat und somit schlimmere Katastrophen besser einplanen, teilweise sogar verhindern kann. Gestört hat es mich nicht: ich gewinne ja gerne und es war trotzdem noch häufig genug spannend. Außerdem wurden dadurch die in PL1 nervigen Wiederholungsspiele vermieden.
Für wen ist also PL2? Wer PL1 mochte, wird wahrscheinlich auch PL2 mögen. Die große Stärke des Legacykonzepts, die Unbekannte, wurde noch weiter ausgebaut. Die Geschichte wird stimmig fortgeführt und einzig die Erwartungshaltung könnte einem einen Strich durch die Rechnung machen. Vielleicht wäre es besser, PL2 mit Seafall zu vergleichen, um einer Enttäuschung vorzubeugen.
Pandemie Legacy spiele ich nicht, weil Pandemie so eine tolle Mechanik hat, sondern weil in jeder Partie die Mechanik verändert wird und mir neue Möglichkeiten eröffnet werden. Season 2 finde ich vom Spielablauf besser als Season 1 – es fehlte nur eines: die große Überraschung, die uns in Season 1 noch die ganze Zeit begleitete.
PS: PL2 kann man unabhängig von der ersten Staffel genießen, doch wie bei einer Serie baut die Geschichte auf PL1 auf. Von daher wäre es ratsam, zumindest eine ungefähre Ahnung über den Storyarc von PL1 zu haben.