DIE QUACKSALBER VON QUEDLINBURG : Kräutermischmasch und Knallerbsenexplosion im Kupferkessel

„Ein Kräutermischer in die Küche, ein Kräutermischer, bitte!“
Gerne komme ich der Aufforderung nach und stehe vor einem goldenen Kessel und werfe allerlei Zutaten aus meinem Beutel hinein. Leider habe ich meine Brille vergessen und ziehe daher einfach blind. Doch aufpassen ist angesagt: gestern ist mir das Ding um die Ohren geflogen, weil wieder zu viele Knallerbsen im Topf landeten. Heute höre ich einfach früher auf und gehe kein Risiko ein, ganz sicher! Für mein Gebräu werde ich königlich entlohnt und kann auf dem Markt zwei neue Zutaten einkaufen. Kürbisse vertragen sich herrlich mit getrockneten Fliegenpilzen, wenn der Kürbis kurz zuvor das Aroma des Tranks verstärkt hat. Weil mein Konkurrent gestern so ein tolles Ergebnis erzielte und massig Prestige bei den Konsumenten sammeln konnte, versüßen mir heute bereits zu Beginn ein paar Rattenschwänze meine Zubereitung. Lecker!

DIE QUACKSALBER VON QUEDLINGBURG ist ein Beutelaufbau-Spiel, d.h. ich gestalte mir die Zusammensetzung eines Beutelinhalts von Runde zu Runde immer weiter und versuche, Synergien der gezogenen Plättchen zu nutzen. Das Prinzip unterscheidet sich damit nicht viel von Deckbuildern (Kartendeckaufbau-Spielen) wie DOMINION oder KLONG. Ersetze Beutel durch Kartenmischen und Ziehen durch Kartenaufdecken und schon wäre das Spiel auch mit einem Kartendeck spielbar gewesen. Außerdem ist es ein Push-your-luck-Spiel (also fordere ich mein Glück heraus), denn ich muss zum passenden Zeitpunkt die passende Zutat ziehen, sonst BUUMM!

Das strategische Element wird gegeben durch die Wahl der Zutatenkombination und durch das Abschätzen von Wahrscheinlichkeiten für ein erfolgreiches Ziehen. Der Glücksfaktor ist dabei nicht zu unterschätzen. In meinen Runden fühlte ich mich trotz pfiffiger Zutatenwahl sehr oft Fortuna ausgeliefert. Bei einem klassischen Deckbuilder kann ich mich darauf verlassen, dass ich irgendwann die neu erworbene Karte erhalte. Hier kann es sein, dass ich die begehrte Zutat einfach nie wieder zu Gesicht bekomme. In zwei aufeinanderfolgenden Partien passierte es, dass mir der Kessel am entscheidenden Ende um die Ohren flog, ohne dass ich ein großes Risiko eingegangen wäre. Falls zuvor ein Unglück passiert, ist noch nicht alles verloren. Dann springt ein Aufholmechanismus ein. Zieht ein Quacksalber nämlich punktemäßig davon, erhalte ich in meinem Kochtopf ein paar Schritte Vorsprung und kann aufholen.

DIE QUACKSALBER gewinnt vor allem bei den emotionalen Achterbahnfahrten. Geht meine Taktik auf, freue ich mich und klopfe mir auf meine Schulter. Und eine gewisse Schadensfreude kann ich nicht leugnen, wenn mein Gegenüber zu gierig war und sein Kessel explodiert … KABOM!

Die Ausgestaltung als kochender Kräuterkundiger überhaupt halte ich für einen wahren Geniestreich. Es wirkt einfach sehr anschaulich, dass ich Zutaten ziehe und meine Suppe damit würze. Die bunte Grafik ist schick und zieht mich noch tiefer in die Welt der Gaukler. Das Material ist gut, allerdings löst sich bei einem Beutel schon eine Naht und dass ich in meiner Version zwei Spielerfarben (meine Lieblingskombi: Bronze und Blau) wählen muss, ist wohl ein Fehler, der zukünftig korrigiert wird.

DIE QUACKSALBER wurden jüngst zum Kennerspiel nominiert, wobei manche es lieber in der roten Kategorie gesehen hätten. Ich selber habe beim Erklären jedoch bemerkt, dass die Vielzahl der Regeln, insbesondere die Fähigkeiten und Synergien der Zutaten, doch recht anspruchsvoll sind.
Vater (zieht blau): „Was macht der blaue nochmal?“
Ich: „Du darf nochmal einen ziehen und dann entscheiden, ob du ihn behältst.“
Vater (zieht rot): „Und was war beim roten?“
Ich: „Der macht nichts, du hast ja keinen Kürbis.“
Vater (zieht blau): „Der Blaue?“
Ich: „Ja, nochmal ziehen! Wie eben.“ …

Die Interaktion untereinander ist eher gering, was mich hier nicht weiter stört. Es gibt die schwarze Zutat, bei der verglichen wird, wer die meisten im Kessel hat. Das bringt einen guten Bonus, sodass ich fast gezwungen werde, nachzukaufen, wenn sie jemand erwirbt.
Zu Beginn der Runde wird für alle Spielenden eine Karte gezogen, die einen positiven Effekt hat. Es freut mich, dass hier ohne Zwänge gearbeitet wird und ich mich auf die Karte freuen kann. Irgendwie ist man dies von Spielen kaum mehr gewohnt. Sonst muss man immer auf etwas hinarbeiten oder wird durch Karten gehemmt.

Insgesamt verläuft DIE QUACKSALBER VON QUEDLINGBURG emotionsgeladen und packend. Explodiert der Kessel zu Spielbeginn, ist es noch gar nicht schlimm, da die hohen Punktezahlen am Ende eingefahren werden. Es wird also eine spannende Spielkurve geboten. Meiner Meinung nach landeten DIE QUACKSALBER zu Recht auf der Nominierungsliste. Wie beschrieben ist mir als strategischer Vielspieler der Glücksanteil zwar etwas zu hoch, doch werde ich mit den leuchtenden Augen meiner Mitspielenden belohnt und ich probiere gerne die verschiedenen Kombinationen der Zutaten aus. Ich werde mich bald wieder an den Kochtopf wagen und auch wenn er mir wohl wieder… KAWUMMM!