WELT DER WUNDER – MEHR BLENDER ALS BLENDEND

Letztes Jahr erreichte mich eine Nachricht eines Bekannten, der gerade auf der GEN CON war: WORLD WONDERS sei ausverkauft, alle sprechen darüber. Was für ein Highlight!
Vorfreude ist bekanntlich die beste Freude, weswegen ich mich besonders für WELT DER WUNDER, wie die deutsche Version heißt, interessierte.

Packe ich den Spielinhalt vor neuen Mitspielenden aus, gibt es immer zwei Reaktionen, die nacheinander folgen. Erst wird begeistert auf das Spielmaterial geschaut. Alle Wunder sind liebevoll in Holz modelliert. Große Begeisterung und Momente, wie ich sie davor nur von den Gebäuden in TAPESTRY kannte. Wenn sie daraufhin den Spielplan erblicken, dann kommt als nächstes MY CITY in den Sinn. Gar nicht mal so daneben. Denn auf einer grünen Wiese mit einem Fluss entsteht durch das Legen von Plättchen unsere Stadt.

Bin ich am Zug, darf ich mein Gold aus der Schatzkammer für neue Plättchen, Straßen oder für den Startmarker ausgeben. Gebäude müssen immer an Straßen, die relativ günstig zu haben sind, angrenzen. Das Timing ist häufig entscheidend, was mitunter zu interessanten Dynamiken führt. Schnappe ich mir erst das begehrte Plättchen oder riskiere ich, dass es mir jemand wegnimmt, dafür schlage ich bei den Straßen zu.
An die begehrten Wunder komme ich relativ einfach. Neben Legebedingungen müssen wir all unser verbleibendes Gold bezahlen. Das ist nicht weiter schlimm, denn unsere Kasse wird jede Runde neu befüllt. Ich versuche also, erst mal so viel wie möglich zu shoppen, bis ich mit einem verbleibenden Gold das Wunder klarmache. Auch hier muss ich mich entscheiden: lieber früher zuschlagen und auf Nummer sicher gehen oder noch mehr Aktionen durchführen, aber jemand könnte mir zuvorkommen.

Gepunktet wird am Ende u. a. durch das Vorankommen an Leisten, das vollständige Umrunden von Gebäuden und natürlich durch die Wunder. Problematisch ist witzigerweise genau die Aufmachung des Spiels. Der Blickfang der Monumente wirkt auf Spielende so, dass diese besonders punkteträchtig sein müssen. Tatsächlich machen diese aber oft weit weniger als 20 % des Endpunktestandes aus. Hier erweckt das Spiel falsche Erwartungen. Man stelle sich vor, PORSCHE würde in ihrem Modell einen VW-GOLF-Motor einbauen. Man tritt aufs Pedal und das Auto fährt auch los, aber die Überraschung wäre gelungen. Quasi alle meiner Mitspielenden sind in ihrer ersten Partie darauf hereingefallen und haben den Wundern eine falsche Priorität eingeräumt.

Man darf mich nicht falsch verstehen. WELT DER WUNDER ist solide Spielkost. Ich fühle mich allerdings mehr, als würde ich einfach ein einzelnes Kapitel von MY CITY spielen. Besonders sind für mich nur die toll gestalteten Monumente, die spielerisch aber wenig eingebunden sind.
Die von den Menschen erschaffenen Wunder imponieren und bleiben im Gedächtnis. WELT DER WUNDER leider nicht.