HIGH TREASON! : Euer Ehren, ich wittere Hochverrat!

Hochverehrte Jury, ich gestehe, ich habe als Kind die Serie Matlock verschlungen. Ich mag es, Menschen dabei zuzuschauen, wie sie sich im Auftrag anderer Personen streiten. Bei dem Zweispielerhit „High Treason!“ (Hochverrat!) geht es um genau jenes: ein Spieler verritt die Anklage und der andere Spieler die Verteidigung. Konkret spielt man die Gerichtsverhandlung von Louis Riel nach, der 1885 in einem spektakulären Prozess zum Tode verurteilt wurde. War mir zuvor unbekannt, in Kanada ist diese historische Begebenheit anscheinend Pflichtstoff in der Schule. Runtergebrochen liegt hier ein Kartenspiel vor. In verschiedenen Runden werden Persönlichkeiten und Beweise des Prozesses ausgespielt und gewähren Aktionspunkte oder besondere Aktionen. Es beginnt realistisch korrekt mit der Auswahl der Geschworenen: 12 Personenkarten sind zu begutachten und sie haben jeweils einen Beruf, eine Muttersprache und eine Religion, die zu Beginn unbekannt sind.  Als Verteidiger würde ich zugern die katholischen, französisch sprechenden Farmer in der Jury sehen und schaue unter die Plättchen, die diese Attribute zuweisen. Danach werden abwechselnd Jurymitglieder entlassen, bis die sechsköpfige Jury steht. Jetzt wird in zwei Runden die Hauptverhandlung nachgespielt. Soll ich eher einzelne Jurymitglieder beeinflussen, gezielt Einfluss auf alle Protestanten nehmen oder die Taktik fahren, meinen Mandaten für unzurechnungsfähig zu erklären? Ja, das ist hier alles möglich. Und in jeder Runde lege ich die zwei besten Karten für mein krönendes Schlussplädoyer zurück. Da wird sich mein Gegner wundern, wenn ich dieses Beweisstück noch aus der Tasche ziehe, haha! Am Ende entscheidet der Richter. Ergibt die Summe aller Geschworenenpunkte einen Wert von 100 oder mehr, sieht es schlecht aus für die Verteidigung und der Galgen wird schon vorbereitet.

Die Verteidigung konnte vier Jurymitglieder überzeugen und nur die Farmer (1) und Protestanten (4) sind mir wohlgesonnen.

„High Treason!“ spricht mich an. Das Gefühl einer Gerichtsverhandlung wird so gut übertragen, dass ich regelrecht entrüstet bin, wenn mein Mitspieler eine bessere Karte, pardon, Argumente vorlegen kann und ein sicher geglaubtes Jurymitglied auf seine Seite ziehen kann. Es ist kurzweilig und motivierend, weil ich nach meiner ersten gewonnen Partie als Verteidiger (ja, ich habe die Geschichte geändert) noch zeigen will, dass ich auch als Ankläger begabt bin (nein, leider nicht).

Natürlich ist es ein enormer Vorteil, die Karten zu kennen, sodass sich das volle Potential des Spiels erst nach mehreren Spielrunden ergibt und wenn beide Spieler auf dem gleichen Kenntnisstand sind. Gestört habe ich mich daran, dass Persönlichkeiten, die im wahren Prozess die Anklage vertreten haben, auch für mich arbeiten, wenn ich die Verteidigung spiele. Das hat mich ein bisschen aus der so gelungen Immersion herausgerissen. Die Optik wirkt teilweise prototypenhaft, wobei man dazu sagen muss, dass das Spiel im englischen nur ein „print on demand“, also extra gedruckt wird, wenn eine Bestellung dafür eingeht. Thematisch würde mich über Fälle freuen, die im deutschsprachigen Raum bekannter sind als dieser Fall hier. Ansonsten bleibt mir nur zu sagen: „Euer Ehren, ich bitte Sie dieses Spiel frei zu sprechen, damit es auf den deutschen Markt erblühen möge!“