EARTHBORNE RANGERS – PFAD VERLOREN, PFADFINDER GESUCHT

Steph hat sich die in Solospielen erfahrene Mel a. k. a. SchnutenMel eingeladen, um über die beschwerliche Reise in und um EARTHBORNE RANGERS zu sprechen.

Steph: Guten Morgen, Ranger Mel. Na, bist du gut ausgerüstet für die große Reise?

Mel: Ich war mental gut vorbereitet für den Start in diese neue Welt. Aber der Einstieg war nicht ganz so einfach. 

Steph: Ich weiß, was du meinst. Das Tutorial war gut gemeint, aber es war viel. Viele Symbole, ungewohnte Abläufe und Mechanismen, viele Keywörter. Die Welt hat das aber wieder entschädigt.

Mel: Ich fand die Idee vom Tutorial total cool, also wie man das Deck so nach und nach zusammenbaut. Vielleicht liegt es auch an mir, weil ich wenig Erfahrung in LCG habe.

Steph: Dein erstes LCG, also Living Card Game? Da bringe ich die Expertise mit. Arkham Horror ist ja eines meiner absoluten Lieblinge. Doch die unterscheiden sich schon arg. Arkham Horror ist wahrlich Horror – da wird einem viel auf die Finger gehauen. Hier wird eine wunderbare Welt aufgebaut, die nicht bedrohlich ist, aber viele Abenteuer bietet.

Mel: Das habe ich auch immer gehört mit der friedlichen Welt. Die Tiere seien nicht so bedrohlich und gruselig. Ich kann sie auch ignorieren. Doch dann: gerade die ersten Spieltage fand ich bestrafender, als ich es mir vorgestellt habe.


Steph: Wie wird denn bestraft bei EARTHBORNE RANGERS? 

Mel: Am Anfang hat es mich ziemlich fertig gemacht, dass ich direkt zwei Pfadkarten gezogen habe. Die Fülle an Dingen, die sich mir entgegenstellen, waren überwältigend. Die ermüden die Ranger und man muss Karten ablegen. Und dann ist der Tag schnell vorbei. Da musste ich erstmal verstehen, was das Spiel von mir will. Und ich suche ja Abenteuer oder Charaktere, doch dann kommen mehr und mehr Raubtiere und Hindernisse.

Steph: Was passiert denn, wenn der Tag endet? Kann man dann die Abenteuer nicht mehr schaffen?

Mel: Nebenmissionen gehen dann verloren. Das hat mich dann genervt, weil die dann futsch sind. Das habe ich so gut wie nie geschafft. Und man fängt ganz neu mit den Karten – also dem Anlegen der Ausrüstung – an. Die müssen dann erst wieder gezogen werden, damit ich sie auslegen kann. Und wertvolle Energie kosten sie! Die Geschichte in der Welt verläuft auch weiter, es werden nur 30 Tage abgebildet. Da ist dann doch Zeitdruck. Ein cooles Konzept, aber ich habe mich hin- und hergerissen gefühlt, ob ich die Welt erlebe und erkunde oder schnell weiterreise. 

Steph: Das Besondere an EARTHBORNE RANGERS ist die Welt, die ein Eigenleben hat. Das hat mich fasziniert. Dies bedingt natürlich auch etwas Verwaltungsaufwand, funktioniert hat das jedoch. Ich kann auch einfach mal zuschauen, was passiert.

Mel: Ja, das macht es einzigartig. Die Welt und die Geschichte sind die klaren positiven Aspekte. Das war alles so stimmig – schon im Vorwort beschreibt einer der Autoren, wie er als kleiner Junge seine Umwelt erfahren hat und auf Entdeckungsreisen gegangen ist. Da gibt es viel Lore und ich kann mir die Welt gut vorstellen. Das gibt Hoffnung, es ist keine dunkle Dystopie. Irgendwie hat mir das ein wolliges Gefühl gegeben. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Flurbaum-Basis haben in meinem Kopf richtig zu leben angefangen. Und da fängt es heimelig an, weil die erste Mission ja ein Verteilen der Wacholderbrötchen ist.

Steph: Endlich geht es mal nicht um das Überleben der ganzen Welt. Ich mochte das zur Abwechslung mal. Aber das Reisen zwischen den Orten fand ich wenig spannend. 

Mel: Da sind die Meinungen ja gespalten. An sich sind die Idee und die Mechanik dahinter interessant. Man baut sich einen Kartenstapel zusammen, der von dem Ort abhängt, den man bereisen möchte. Das kann allerdings einen immensen Aufwand bedeuten, wenn man alles zusammenstellen muss. Immer wieder neu. Nach fast 30 Stunden Spielzeit hatte ich am Ende wenig Lust, von ganz oben nach unten zu reisen. Das war viel Verwaltungsaufwand. Ohne, dass ich das Gefühl hatte, etwas Neues zu entdecken. Bei speziellen Orten hat man zumindest noch die Möglichkeit Personen zu treffen, aber bei Durchreise-Orten gibt es einfach nichts mehr. 

Steph: Wie sieht es bei dir mit dem Open-World-Aspekt aus? Ich bin da kein großer Fan davon. Ich möchte mich auf eine Geschichte konzentrieren. Das war z. B. mein Problem bei SCHLAFENDE GÖTTER, dass ich das Gefühl hatte, keine konsistente Geschichte zu erleben. Wie war das hier bei dir? 

Mel: Ich verstehe voll, was du meinst. Das kenne ich auch aus Videospielen, dass man da mal schnell abgelenkt wird. Das gefällt mir hier aber besser und man wird auch gut durchgeleitet, weil man quasi gesagt bekommt, wo man als nächstes hingehen soll. Die Anzahl der Questen ist reduzierter. Man erkennt auch direkt, was Haupt- oder Nebenquests sind. Das hat mich bei SCHLAFENDE GÖTTER mehr verwirrt, dafür haben die das dort besser hinbekommen mit dem Reisen zwischen den Orten. 

Steph: Kommen wir mal zur grafischen Gestaltung. Das Cover gefällt mir total gut. Ein echter Hingucker. Von den Karten kann ich das nicht sagen. Da kommen unterschiedliche Stile zum Einsatz – mal explizit und mal abstrakter. Das fand ich nicht harmonisch. Weißt du, was ich meine?


Mel: Mir ist es erstmal gar nicht aufgefallen. Während des Spiels habe ich mich auf was anderes konzentriert. Die Charaktere fand ich toll, auch die Farben an sich waren stimmig. Die abstrakte Kartengestaltung gefällt mir jetzt auch weniger. Die Tiere Riri, der Sperber und Oru, der Schäferhund, waren meine liebsten Begleiter und waren detailliert gezeichnet, aber in unterschiedlichen Stilen. Es ist ein kleiner Bruch, gestört hat mich das aber nicht.

Steph: Wie sieht denn nun mit deinem Fazit insgesamt aus? Ich selber habe es zweimal zu zweit probiert, konnte mich in der Welt aber nicht festsetzen. Wie sieht deine Soloerfahrung aus?

Mel: Eigentlich fast schon traurig. Dadurch, dass ich so viel Liebe zum Spiel gehört habe, waren meine Erwartungen entsprechend hoch. Die Vorfreude auf die Welt war immens. Aber ich habe eine Weile gebraucht, um reinzukommen. Das war schwierig und hat mich gefrustet. Ich war dann irgendwann machtlos. Dann habe ich das hinbekommen, leider habe ich es nicht geschafft, mich völlig auf diese Welt einzulassen. Vielleicht bin ich zu ziellos durch die Welt gestiefelt. Andere haben das 10 Stunden schneller als ich geschafft. Am Ende fühlte es sich nach Arbeit an. 

Steph: Wenn du jetzt aber so sprichst, merke ich aber schon, dass du dich sehr intensiv mit dem Spiel und der Lore dahinter auseinandergesetzt hast.

Mel: Ja, ich habe mich sehr über die Erfahrung von anderen erkundigt. Ich wollte wissen, wie es denen so ergeht.

Steph: Hand aufs Herz: eine Erweiterung ist angekündigt: LEGACY OF THE ANCESTORS. Wärst du da noch dabei oder war es das?

Mel: Gerade am Anfang war ich so hyped. Als LCG habe ich mich voll drauf gefreut, dass da noch mehr kommt, während des Spielens dachte ich mir: <<Bloß nicht. Ich kann nicht mehr.>> Aber jetzt fällt mir der Abschied so schwer. Ein komisches Gefühl. Am Ende habe ich die letzten paar Kapiteleinträge gelesen, anstelle Hin- und Herzureisen, um die Auflösung der Story zu erleben. Das hat mir ein schlechtes Gefühl gegeben und hat mich traurig hinterlassen. Ich würde es so gern mehr mögen, als ich es tue. Jetzt, wo wir darüber sprechen, bin ich mehr besänftigt als während des Spielens, weil ich die ganzen Besonderheiten des Spiels wertschätzen kann. Ich könnte mir gerade sogar vorstellen, diese One-Day-Missions mit einem eigenen Deck zu probieren. Vielleicht erhört man mich ja und es wird beim Reisen noch nachgebessert.