Wenn ich bei einem Spiel urteile, dass es direkt aus den 90igern kommt, meine ich damit normalerweise nichts Gutes.
Anders hier, denn HOUSE OF DANGER teleportiert mich direkt in meine Teenagerzeit zurück, in der ich Abenteuerbücher wie DER HEXENMEISTER VOM FLAMMENDEN BERG, EINSAMER WOLF und DIE INSEL DER 1000 GEFAHREN verschlungen habe. Bevor ich überhaupt wusste, dass es Rollenspiele gab, ermöglichten sie mir das Eintauchen in diese fremde Welten, in denen ich heldenhafte Taten vollbringen konnte und in denen ich weitreichende Entscheidungen traf. Diese Bücher tragen die Bezeichnung Spielbuch (im Englischen: CHOOSE YOUR OWN ADVENTURE), was daher rührt, dass je nach Wahl die Geschichte an unterschiedlichen Seiten weitergelesen werden muss.
Treffe ich an einer Stelle des Buches auf einen schlafenden Drachen, so muss ich bei Seite 34 weiterlesen, wenn ich auf Zehenspitzen schleichend an ihm vorbeihuschen will. Oder auf Seite 121 weiterlesen, wenn ich die Gunst der Stunde nutzen möchte, um ihn anzugreifen. Sehr rudimentär gab es schon klassische Würfelproben, die mit einem Daumenkino bewerkstelligt werden konnten, denn auf jeder Seite war eine Fläche eines Würfels abgebildet.
HOUSE OF DANGER ist das Spiel zum Spielbuch, also ein Spielbuchspiel.
Tatsächlich ist es nichts anderes als eine Umsetzung des (mir bis dato nicht bekannten) Buches HOUSE OF DANGER, und es trägt seinen Namen nicht zu Unrecht, denn an jeder Stelle lauern Gefahren. Anstelle von Seiten werden Karten gelesen, bis eine Entscheidung getroffen werden muss. Es eignet sich weniger für eine Gruppe, sondern ist besser für Solisten oder Duos, denn man steuert kooperativ durch die Geschichte und wählt gemeinsam zwischen den gegebenen Alternativen. Am Anfang dürfen wir uns wie in einem Traum für zwei Minuten ein Bild auf der Rückseite des Spielplans ansehen und erhalten damit Hinweise, auf welche Dinge wir später zu achten haben. Außerdem können im Spiel Vorahnungen gefunden werden, die als Bildkarte kryptisch aufzeigen, welche Orte wir besser meiden sollten. Gegenstände werden durch kleinere Karten dargestellt und geben Boni für Würfelproben oder ermöglichen andere Wahloptionen auf den Storykarten.
Das Spiel ist in mehrere Kapitel unterteilt und zu Beginn wird unser Ziel ausgelegt, zum Beispiel müssen wir zu Beginn den Eingang zum Haus erreichen. Am Ende eines Kapitels werden alle Orte vorgelesen, die wir hätten besuchen können und erhalten die Gelegenheit, diese doch noch aufzusuchen.
HOUSE OF DANGER hält für mich genau, was es verspricht. Die Story ist völlig hanebüchen und abgedreht. Jegliches fantastische Genre wird irgendwie vertreten und erzeugt eine herrliche Trashatmosphäre. Ich hatte Spaß daran, mit meinem Mitspieler die verschiedenen Entscheidungen zu diskutieren und empört darüber zu stöhnen, dass meine getroffene Wahl, die zum Game Over führte, nicht vorhersehbar war. Würfelproben gingen mit einem erhöhten Herzschlag einher und verpasste Chancen laden ein, zurück ins Kapitel zu springen.
Das Design des Spielbretts versprüht einen charmanten Retrolook, zum Beispiel haben die Karten einen vergilbten Anstrich bekommen und wirken so, als wäre dieses Spiel für 25 Jahre im Dachboden gelagert gewesen, nur um von mir entdeckt zu werden. Man könnte die ganzen zufälligen Elemente und die Story kritisieren, aber ich mag es einfach, wieder mal der 13-jährige Junge zu sein, der einfach unbeschwert auf Erkundungsreise geht.
Falls eine Umsetzung des Spiels als Buch geplant sein sollte, würde ich mich über dessen Titel freuen: das Spielbuchspielbuch. Und noch mehr freuen würde ich mich auf eine deutsche Umsetzung von HOUSE OF DANGER – ich möchte es gerne mit meinen Neffen und Patenkindern spielen und zusammen mit ihnen nochmal einen kleinen Teil meiner Teenagerzeit zu durchleben.