MY CITY : BÜRGERMEISTER DER PLÄTTCHEN

Umschläge übten schon in jungen Jahren eine gewisse Faszination auf mich aus. Sie lösen automatisch einen gewissen Drang aus, den Inhalt zu entdecken. Wer ist der Absender und was will er mir mitteilen?

Post von R. KNIZIA ist da!

MY CITY nutzt genau dieses Spannungsmoment, obwohl eigentlich klar ist, dass der Absender REINER KNIZIA ist und er mir neue Regeln mitteilen will.

„Alle legen das rote 3er-L an.“ Ich höre, wie in meiner Skype-Spielerunde der Deckverwalter diese Ansage macht…
Die Bäume sollen bleiben, die Steine möchte ich noch überdecken.

Bei MY CITY legen wir Gebäude-Plättchen aneinander und versuchen damit auf unserem Tableau, Steine abzudecken und Bäume sichtbar zu lassen. Ein Kartendeck gibt für alle ein Teil vor, doch nie sahen unsere Städte danach gleich aus. Zu individuell sind doch die Baugedanken. Warum wird nach einer Partie unsere wohldurchdachte Stadt wieder abreißen, bleibt offen. Insgesamt kommt bei mir zu keinem Zeitpunkt der Kampagne das Gefühl auf, dass ich tatsächlich eine eigene Stadt baue. Von daher ist ja eigentlich auch egal, dass die Gebäude danach wieder abgerissen werden. Es ist eine ziemlich solistische Tüftelei, die allerdings durch Zugabe und Wegnahme von Regeln immer mehr an Finesse gewinnt. Ich hoffe auf die richtigen Teile, die genau in eine Lücke passen. Juble, wenn ich an einer Stelle noch etwas einbauen kann und fluche, wenn das dringend benötigte Plättchen einfach nicht kommen will.

MY CITY bezeichnet sich als Legacy-Spiel – ich würde es eher „Legacy light“ nennen. Die übergeordnete Geschichte wird nur durch kurze Sätze fortgeführt. Echte Entscheidungen, die den Ablauf bedeutsam beeinflussen, gibt es nicht. Dafür locken die Umschläge ungemein. Was hat sich der Autor für die nächste Runde einfallen lassen?

Nach jeder Partie wird abgerechnet und man erhält Fortschrittspunkte, die den Gesamtsieger der Kampagne bestimmen. Außerdem gibt es Aufkleber, die es dem Gewinner etwas schwerer machen und es gibt Boni für die Verlierer. Die Idee dieses Aufholmechanismus ist interessant. Obwohl ich meinem Vater spielerisch überlegen war, holte mich dieses Element auf einen gleichen Stand zurück, sodass es bis zum Ende hin spannend blieb. In meinen anderen Runden war dieser Effekt nicht so gut zu beobachten, allerdings gibt es in den letzten Partien noch zusätzliche Aufholmöglichkeiten.

MY CITY bindet. Das Spiel verlangt, dass von einer Gruppe gemeinsam 24 Partien von je 20 bis 30 Minuten gespielt werden. Wer sich davor scheut, kann auch auf der Rückseite des Plans ein „ewiges Spiel“ verwenden, welches ich nach dem Durchspielen der Kampagne allerdings nicht als sonderlich reizvoll erachte.

Obwohl ich MY CITY gerade zum vierten Mal durchspiele, erlebe ich es jedes Mal unterschiedlich. Jede Gruppe ist anders und das Spiel bietet für mich genug Varianz, da die Regeln sich schnell wieder ändern. Sie sind dabei immer klar und durchdacht. Besonders zu loben sind die Übersichtskarten in den Umschlägen, die auf einen Blick zeigen, was in dieser Partie besonders zu beachten gilt.

Klare Regelübersicht. Erzählung: ein paar Sätze.

KNIZIA ist es gelungen, eine familienfreundliche, kompetitive „Legacy (light)“-Spielerfahrung zu schaffen. Das war sicherlich keine einfache Aufgabe, aber sie ist geglückt. Und das ist das herausragende daran.